Anton Wilhelm Amo – Ein panafrikanischer Vordenker

Natasha A. Kelly

Natasha A. Kelly holds a PhD in communication sciences and sociology with key research interests in (post)colonialism and feminism.

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19 06 17 — 23:10

Anton Willhelm Amo wurde Anfang des 18. Jahrhunderts an der Goldküste im heutigen Ghana geboren. Sein Geburtsdatum ebenso wie sein Geburtsort sind unbekannt. Im Kindesalter fiel er dem Versklavungshandel zum Opfer und wurde von der Holländisch-Westindischen Gesellschaft nach Rotterdam entführt. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, Anton Wilhelm Amo sei dem Herzog Anton Ulrich von Wolfenbüttel (1633 – 1714) „geschenkt“ worden, lässt sich nachweisen, dass Amo vom Herzog als Zeichen des Prestiges „geknechtet“ wurde.

Vor dem Hintergrund seines jungen Alters vergaß Amo schnell seine Muttersprache und auch seinen Namen. Damit kam er ohne Identität nach Europa, was den Europäer_innen in die Hände fiel, da die Verwendung von afrikanischen Namen und Sprachen strengstens verboten war. In den Kirchenunterlagen der Schloßkapelle von Salzdahlum (Salzthal) bei Wolfenbüttel wird darauf hingewisen, dass ein „kleiner Mohr“ [sic!] am 29. Juli 1708 mit dem Namen Anton Wilhelm evangelisch getauft wurde. Seinen Vornamen „Anton“ erhielt Amo vom Herzog selbst; „Wilhelm“ war der Name seines Lieblingssohns und Erbprinzen.

Neben seine Lakei-Tätigkeit am Hof von August Wilhelm (1662 – 1731) besuchte Amo eine Schule, die er vermutlich in der Ritterakademie in Wolfenbüttel abschloss. 1727 zog er nach Halle, wo es sich an der Universität für Philosophie und Jura einschrieb. Außer Deutsch beherrschte Amo Latein, Griechisch, Holländisch und Französisch. 1729 hielt er seine erste Disputation „De jure maurorum in Europa“ (dt.: „Von den Rechten der Schwarzen in Europa“), die in Original  leider nicht mehr aufgefunden werden kann. Darin kritisierte er die miserable Lage der an vielen europäischen Königs- und Kurfürstenhöfen dienenden Schwarzen, die als „Leibeigene“ und „Ausstellungsobjekten“ für schaulustige Europäer_innen ohne jeglichen Rechtsschutz gehalten wurden.

Wäre diese Arbeit nicht verloren gegangen, könnte sie zweifellos von besonderer Bedeutung nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Gesellschaft und Politik sein. Denn sie lief fast parallel zu den Protesten der britischen Quäker, die sich 1727 gegen die Versklavung erhoben. Demnach könnte sie heute eine historische Grundlage für die andauernden interkulturellen und internationalen Debatten über Menschenrechte, Rassismus und soziale Ausgrenzung etc. stellen. Bekanntermaßen war Amo bemüht, die Situation der aus Afrika stammenden Menschen zu schildern, die einer beispiellosen Willkür und Misshandlung in der europäischen Gesellschaft ausgeliefert waren.

Amos Disputation ging der panafrikanischen Ideologie voraus, die ca. 170 Jahre später nach einer praktischen Lösung für das Problem der rassistischen Diskriminierung von Schwarzen insbesondere durch Weiße suchte. Der Panafrikanismus geht auf den von Henry Sylvester Williams (1869 – 1911) aus Trinidad 1897 gegründeten Verein „African Association“ zurück, der zum Ziel hatte, den in Großbritannien lebenden Afrikaner_innen rechtlich zu helfen. Im Jahre 1900 berief Sylvester die erste internationale panafrikanische Konferenz in London ein,  mit dem Ziel, die Diskriminierung von Schwarzen Menschen stärker ins Bewusstsein zu rücken und eine bessere politische Vertretung ihrer Interessen anzustreben.

Nach der Berliner Konferenz von 1884 bis 1885, bei dem Afrika unter den Europäer_innen aufgeteilt wurde, entstand mit dem Panafrikanismus die wichtigste afrikanische Bewegung der Dekolonialiserungsgeschichte. Er diente als Bindeglied vieler afrikanischer Befreiungsbewegungen und als Basis für den Widerstand Schwarzer Arbeiter_innen und Soldat_innen der afrikanischen Diaspora in Europa und Übersee, die gegen rassistische Hierarchien und ökonomische Ausbeutung aufbegehrten. Der „African_Diaspora Palast“ wird zum Einen zu Ehren von Anton Wilhelm Amo installiert. Zum Anderen symboloisiert er den panafrikanischen Gedanken, (geo-)politisch, sozial und kulturell an der Dekolonialisierung Afrikas und der Welt mitwirken zu können.

 

Jacob Emmanuel Mabe (2007): Wilhelm Anton Amo interkulturell gelesen. Verlag Traugott Bautz GmbH

 

 

 

Natasha A. Kelly

Natasha A. Kelly holds a PhD in communication sciences and sociology with key research interests in (post)colonialism and feminism. As a pan-African born in London and socialized in Germany, she sees herself as an ‘academic activist’ who always tries to bring theory and practice together. She has taught and lectured at numerous private and state institutions in Germany and Austria and has been involved in the Black German community for many years. In addition to her consulting work for various art institutions, she is the curator of the interactive touring exhibition EDEWA (www.edewa.info), which deals with everyday racism, sexism and colonialism (particularly the trade in colonial goods) from a postcolonial perspective,. Her dissertation ‘Afro-Culture – the space between yesterday and tomorrow’ was published in Unrast Verlag in 2016.

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Michaela Rotsch

Bildende Künstlerin, transdisziplinäre und -kulturelle Forschung mit arabesken Organisationsstrukturen und syntopischen Werkstrukturen.

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* Der Prototyp der Glaskuben stammt aus der künstlerischen Werkstruktur SYNTOPIAN VAGABOND, die hier mit dem transkulturellen Projektansatz von GLASPALÄSTE durch die gemeinsame Rahmenstruktur der Glaskuben verbunden wird. Dadurch wird die Grenze zwischen Bildender Kunst und anderen kulturellen Bereichen ausgelotet.

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Michaela Rotsch

Fine artist, transdisciplinary and transcultural research with arabesque organisational structures and syntopic work structures.

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* The prototype of the glass cubes comes from the artistic work structure SYNTOPIAN VAGABOND, which is linked here to the transcultural approach of GLASPALÄSTE through the common structure of the glass cubes. Thus the boundary between contemporary art and other cultural areas is explored.

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Irmtraud Voglmayr

Soziologin und Medienwissenschaftlerin, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Stadt- und Raumforschung, Medien, Gender und Klasse.

Irmtraud Voglmayr

Sociologist and media theorist, focussing on research and teaching: city and urban planning, media, gender and class.

Juliane Zellner

Juliane Zellner studierte Theaterwissenschaft (M.A.) in München, Urban Studies (MSc.) in London und promoviert derzeit an der Hafencity Universität im Fachbereich Kultur der Metropolen.

Juliane Zellner

Juliane Zellner holds a degree in Theatre Studies (M.A.) from LMU Munich and a degree in Urban Studies (MSc) from UCL London.

Currently she is a PhD Candidate in the Department of Metropolitan Culture at the HCU Hamburg.