17 05 17 — 17:38

Ein afrikanisches Sprichwort sagt, dass Wissen wie ein Garten ist: wenn es nicht gepflegt wird, dann kann es nicht geerntet werden. Der Bedeutung nach, sollte Wissen nicht als gegeben angenommen, sondern immer hinterfragt werden: Wer hat welches Wissen, wann, in welchem sozialen, politischen und/oder kulturellen Kontext produziert? Wer hat welches Wissen wann und wie reproduziert? Warum wissen wir das, was wir wissen und nichts anderes? Wie und wann kann Nichtwissen in Wissen überführt oder falsches Wissen korrigiert werden? Vor allem Wissen, welches selbstbestimmt aus Schwarzer Perspektive re_produziert wird, findet in deutschen schulischen wie akademischen Kontexten nur sehr selten Beachtung. Die Tatsache, dass afrikanisch-deutsche Geschichte(n) nachweislich bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, wird gänzlich ausgeblendet. So auch die Lehren des ersten Schwarzen Professors Europas, Anton Wilhelm Amo, der an der Universität Halle (heute Universität Halle-Wittenberg) im November 1729 seine Disputation mit dem Titel De jure maurorum in Europa (dt.: Über die Rechtsstellung der Mohren [sic!] in Europa) hielt.
Diese Arbeit, die zwar als Originalschrift nicht mehr auffindbar ist, bildet das Zentrum des „AfricanDiaspora_Palastes“. Ihre Nachbildung aus Glas erlaubt die Vergangenheit von Schwarzem Wissen in der Gegenwart neu zu verhandeln – mit dem Ziel, die Zukunft neu zu gestalten. Ihre Symbolkraft soll den Besucher_innen zu neuen Lesarten afrikanisch-deutscher Geschichte(n) inspirieren und als Sinnbild für das Un_Denkbare und Ent_Wahrgenommene fungieren. Die hindurch fallenden Sonnenstrahlen verwandeln das Buch in ungewöhnliche und ungewohnte, sich laufend verändernde Lichtspiele. Der Fokus liegt auf Glas als Material, aber auch auf Glas als Metapher – zerbrechlich, transparent, reflexiv, verformbar. So haben die Transparenz und vermeintliche Un_Gegenständlichkeit des gläsernen Buches – seine gegensätzlichen Eigenschaften der Zerbrechlichkeit und gleichzeitigen Härte – die Fähigkeit nicht nur Reflexion zu erzeugen, sondern auch Reflektiertheit hervorzurufen und sowohl eine Schwarze Perspektive auf die Welt, als auch die weiße gesellschaftliche Norm aus der Un_Sichtbarkeit zu holen und zu benennen.
Die Tatsache, dass Glas nur sehr langsam zu fester Form erstarrt, wird von Glasmacher_innen bei der Herstellung bewusst eingesetzt. Einige Gegenstände sehen in der Tat so aus, als ob das Glas in seiner Bewegung eingefangen worden sei. In diesem Sinne wird auch Wissen als Produkt verhandelt, das ebenso nur sehr langsam erstarrt. Eingefangen wird das Wissenswerte in dem gegenüberliegenden Wortspiel. Was das ist, sollen die Besucher_innen selbst herausfinden. In einem Suchworträtsel sind sie eingeladen, jene Worte zu finden, die Amos Lehren entspringen und/oder den eurozentrischen Blick auf die Welt brechen. Im Kontext einer afro-diasporischen Debatte kann folglich über Sprache nicht nur Afrokultur kommuniziert, sondern auch bestehende hegemoniale Bedeutungsstrukturen und –gehalte „entgrenzt“ werden, so dass ein Konsens über das Richtige und das Mögliche verhandelt werden kann. Folglich entscheiden der Wert von Wissen, der Umgang damit und die Rahmenbedingungen, unter denen Wissenserwerb, -bewahrung und –nutzung stattfinden, in welchem Maße Schwarzes Wissen für die Erhaltung und Entwicklung der gesamten Gesellschaft genutzt werden kann. Unter dem Motto „Anerkennung – Gerechtigkeit – Entwicklung“ haben die Vereinten Nationen die Dekade für Menschen afrikanischen Ursprungs ausgerufen (2015 – 2024). Diesem Aufruf will die Kubengestalterin Folge leisten und die gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Beiträge von Schwarzen Menschen in Deutschland und Europa der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft greifbar und begreifbar machen.
