12 05 17 — 15:54

Wir beschäftigen uns mit dem indischen Kleidungsstück, dem Saree, einem fünf bis sechs Meter langen ungenähten, rechteckigen Tuch, welches grundsätzlich aus drei Teilen besteht: dem Paluv (auch Pallu), das Schulterstück, das die weibliche Schulter betont, dem Korpus und der abschließenden Schmuckborte am fußläufigen Saum. Unter dem Tuch trägt man einen langen Unterrock; der Oberkörper ist mit einer kurzen, enganliegenden Bluse namens Choli, die vorne zugeknöpft wird, bedeckt.
Die Geschichte des Saree lässt sich bis zur Industalkultur zurückverfolgen (2800-1800 v. Chr.). Er ist eines der ältesten Kleidungsstücke der Welt: Ursprünglich glaubten Hindus daran, dass nur ein Stoff, der nicht mit einer Nadel in Berührung gekommen war, wirklich rein ist. Deshalb trugen indische Frauen, bevor es überhaupt genähte Kleidung gab, ausschließlich dieses traditionelle Kleidungsstück. Eine Geschichte zum Ursprung des Saree besagt, dass ein verliebter Mann ein Kleid für seine Geliebte weben wollte, nachts dabei jedoch eingeschlafen ist und deshalb ein sehr langes Tuch entstanden sei.
Es finden sich viele unterschiedliche Varianten einen Saree zu tragen, wonach zwischen Status, Kultur und Herkunft unterschieden werden kann. Dabei werden weibliche Attribute wie eine schmale Taille, ausladende Hüften und eine große Oberweite betont, welche nach wie vor zum indischen Schönheitsideal zählen. Der Saree als Kleidungsstück war von jeher Ausdruck weiblicher Identität und wird von den einzelnen Frauen dementsprechend getragen und unterschiedlich drapiert.
Heute entscheiden sich immer mehr indische Frauen für westliche Kleidung. Deshalb versuchen etliche Initiativen, die Liebe zum Saree wiederzuerwecken: Im Zuge der Ausstellung gehen wir den vielschichtigen soziokulturellen Beweggründen auf digitaler Ebene nach. Wir zeigen unterschiedliche persönliche Geschichten, die oft verborgen bleiben – samt ihren ganz spezifischen kulturellen und sozialen Hintergründen. Denn die Entscheidung, ob man einen Saree trägt oder nicht, bedeutet mehr als ein einfaches „Fashion-Statement”. Da es für die meisten Frauen – und das besonders im dörflichen Indien – nach wie vor Pflicht ist, einen Saree zu tragen, kann der Verzicht darauf ein Hinweis auf einen gesellschaftlichen und politischen Aufschrei sein und auch darauf, dass es einer Frau gestattet ist, persönliche Entscheidungen zu treffen.
Es sind Fälle zu beobachten, dass eine Frau westliche Kleidung nur dann trägt, wenn ihre traditionelle Familie (insbesondere die Schwiegermutter) nicht anwesend ist. Das Tragen des Saree zeigt, dass dies nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein stark gesellschaftliches Motiv ist.
Die Saree tragenden Frauen für unser Projekt spüren wir in Mumbai auf – in jener Stadt, welche alle unterschiedlichen Kulturen und Herkünfte Indiens auf engstem Raum verschmelzen lässt. Wir wollen die verschiedensten Facetten und gesellschaftlichen Nuancen aller untersuchten Trägerinnen zeigen und ihre Geschichten dahinter aufdecken und abbilden.

Umsetzung im GLASPALAST:
ER-FORSCHUNG:
Wir analysieren den Ursprung und die Geschichte, die unterschiedlichen Arten/Drapierungen und die kulturelle Bedeutung des Saree, insbesondere die Herkunft und die unterschiedliche „Verortung“ des Saree innerhalb Indiens: Denn die Vielfalt der Farben, die Webtechniken, Symboliken und religiösen Bedeutungen variieren innerhalb Indiens. In weiterer Folge fragen wir, inwieweit der Saree eine Kunstform ist, und ob „nur“ Frauen den Saree tragen oder auch Männer.DIE GEOGRAPHIE DES SAREE: Wir erstellen eine soziokulturelle Landkarte (Mapping the Saree) des Saree und spüren die unterschiedlichen Sarees und die damit verbundenen Handwerkskünste an ausgewählten Gebieten Indiens auf. Der Saree wird dabei als soziokultureller Kleidungstypus wahrgenommen, der eng mit den unterschiedlichen Riten und Gebräuchen innerhalb der indischen Gesellschaft verknüpft ist.
JEDER SAREE ERZÄHLT EINE GESCHICHTE:
Wir sammeln und zeigen „Saree-Geschichten“ auf unserem Blog der GLASPALÄSTE.org website.
INTERAKTIVITÄT VOR ORT:
Die Besucher_innen können aktiv an der Gestaltung des Glaspalasts teilnehmen, indem sie selbst einen Saree an ihrem eigenen Körper vor Ort mit Hilfe einfacher Instruktionen wickeln.
DESIGN-OBJEKTE:
Wir entwickeln neue Objekte als künstlerischen und soziokulturellen Impuls, die aus Sarees gefertigt werden.