Wittenberg, wo sind deine Flüchtlinge?

von Marina Klimchuk

Die Suche nach eritreischen Flüchtlingen hat etwas Ähnlichkeit zu einem Detektivfilm. Die Spuren sind ungewiss und gründen sich auf halb-wahren Auskünften der Wittenberger Bürger. Unsere Autofahrt führt ins Ungewisse und kreist wiederholt um Wittenberg West, ein Ziel gibt es nicht wirklich. Schließlich führt eins zum anderen und als wir Mohammed auf einer einsamen Parkbank treffen, ist der Deal so gut wie besiegelt.

Eine Woche später findet in der Wittenberger Innenstadt hinter dem alten Rathaus eine  Kaffeezeremonie gemäß eritreischen Traditionen statt. Es wird getanzt und live Musik auf dem Krar gespielt. Krar ist ein in Äthiopien und Eritrea verbreitetes Zupfinstrument mit fünf oder sechs Saiten, das zu den Leiern gehört.

KAFFEE GLOCAL

Die ursprüngliche Idee von GLASPALÄSTE war es, Mitglieder der eritreischen Gemeinschaft in Wittenberg einzuladen, für Eritreer_innen und Wittenberger_innen gleichermaßen eine Kaffeezeremonie durchzuführen. Konzipiert als Gegenpol zum ,,Ausgeblendet” im Tel Aviver Neve Shaanan, dem Hinterhof der Globalisierung, verkörpert die Kaffeezubereitung im Stadtraum Sichtbarmachung. Flüchtlinge nutzten diese Plattform und wirkten partizipativ, indem sie Elemente ihrer Kultur in die Stadt integrierten.

Die Kaffeezeremonie ist ein essentieller Bestandteil des sozialen Lebens in Eritrea, der nur von Frauen praktiziert werden kann. Zunächst wird ein Holzkohlefeuer entzündet, die grünen Kaffeebohnen geröstet und anschließend zerstampft. Der gemahlene Kaffee wird dann in einen Topf mit Wasser gegeben, über dem Feuer erhitzt, dabei mehrmals aufgekocht und in kleinen Tassen mit viel Zucker getrunken. Für diese Zeremonie braucht man Zeit, Zeit zum Verweilen und für soziale Kontakte.

TEL AVIV_PALAst auf TOUR

Während das Bedürfnis von Flüchtlingen nach Asyl ein globales Phänomen ist, macht sich ihre Anwesenheit  in erster Linie lokal bemerkbar. Und obwohl die Unterschiede zwischen Tel Aviv und Wittenberg  größer nicht sein könnten, sind die kulturellen Einflüsse, die von der eritreischen Flüchtlingsgemeinschaft  an diese beiden Orte gebracht  wurden, erstaunlich ähnlich.

Einen Nachmittag lang wird der TEL AVIV_PALAST zum Symbol für diese transnationale Verbindung. Positioniert in unmittelbarer Nähe zur Kaffeezeremonie,  lässt seine Präsenz im Stadtraum im abstrakten Sinne ein Dreieck zwischen Tel Aviv, Wittenberg und eritreischer Kultur entstehen.  Um ihre Zugehörigkeit zu betonen, werden im Glaspalast zwei Flaggen aufgehängt, eine eritreische und eine deutsche.

Michaela Rotsch

Bildende Künstlerin, transdisziplinäre und -kulturelle Forschung mit arabesken Organisationsstrukturen und syntopischen Werkstrukturen.

michaelarotsch.com

* Der Prototyp der Glaskuben stammt aus der künstlerischen Werkstruktur SYNTOPIAN VAGABOND, die hier mit dem transkulturellen Projektansatz von GLASPALÄSTE durch die gemeinsame Rahmenstruktur der Glaskuben verbunden wird. Dadurch wird die Grenze zwischen Bildender Kunst und anderen kulturellen Bereichen ausgelotet.

syntopianvagabond.net

Michaela Rotsch

Fine artist, transdisciplinary and transcultural research with arabesque organisational structures and syntopic work structures.

michaelarotsch.com

* The prototype of the glass cubes comes from the artistic work structure SYNTOPIAN VAGABOND, which is linked here to the transcultural approach of GLASPALÄSTE through the common structure of the glass cubes. Thus the boundary between contemporary art and other cultural areas is explored.

syntopianvagabond.net

Irmtraud Voglmayr

Soziologin und Medienwissenschaftlerin, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Stadt- und Raumforschung, Medien, Gender und Klasse.

Irmtraud Voglmayr

Sociologist and media theorist, focussing on research and teaching: city and urban planning, media, gender and class.

Juliane Zellner

Juliane Zellner studierte Theaterwissenschaft (M.A.) in München, Urban Studies (MSc.) in London und promoviert derzeit an der Hafencity Universität im Fachbereich Kultur der Metropolen.

Juliane Zellner

Juliane Zellner holds a degree in Theatre Studies (M.A.) from LMU Munich and a degree in Urban Studies (MSc) from UCL London.

Currently she is a PhD Candidate in the Department of Metropolitan Culture at the HCU Hamburg.