Bert Praxenthaler

1956 in München geboren. Die Ausbildung zum Holzbildhauer und sein Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte (M.A.) absolvierte er in München.

Mehr infos

16 05 17 — 15:34

Eine Befragung.

Im Glaspalast werden auf eine Befragung von Gläubigen aus zwei monotheistischen Religionen hin die jeweiligen Antworten vorgestellt und in einer Audiokomposition gegenübergestellt. Der Islam wurde im zentralen Hochland von Afghanistan als die Religion der Eroberer um 1000 n. Chr. zwangsweise eingeführt (Mahmut von Ghazni, der „Zerstörer der Götzen“) und löste den Buddhismus und andere Religionsformen ab, welche bislang weit über tausend Jahre vorherrschend waren.

Der Beginn des Sikhismus konnte sich im Panjab (Nordindien) Anfang des 16. Jahrhunderts aus den Lehren Guru Nanaks heraus etwa zur gleichen Zeit wie die Reformation in Deutschland etablieren. Er entwickelte sich aus einem reformatorischen Ansatz heraus und enthält gewisse Elemente von Hinduismus und Buddhismus, hat aber den Anspruch, darüber hinaus zu gehen – mit dem Ziel, religiöse Weisheit für den Alltag des Menschen zu nutzen.

Die Befragung

Mehreren Personen im zentralen Hochland von Afghanistan und Sikhs in Amritsar (Panjab, Nordindien) wurden zwei Fragen gestellt:

Was halten Sie im Allgemeinen von der Vorstellung, eine Religion zu reformieren?

Was halten Sie von Grenzen?

Die aufgezeichneten bewußt unübersetzt gelassenen Antworten in mehreren Sprachen werden zu einer vielstimmigen Klangkomposition verdichtet, die über Resonanzlautsprecher die Glaswände des Kubus zum Klingen bringt. Die Besucher_innen des Kubus können je nach Hörstandort und Bewegungsaktivität unterschiedliche Audioeindrücke der dynamisch sich entwickelnden Komposition gewinnen.

Andererseits könnten aber auch Besucher_innen des Glaspalasts, die entweder Dari bzw. Farsi oder Urdu bzw. Panjabi sprechen, die Texte übersetzen – d.h. darisprachige Afghan_innen oder Iraner_innen, und Menschen aus Pakistan oder Nordindien, die Panjabi sprechen. Jede_r Besucher_in ist eingeladen, Kommentare in schriftlicher Form oder als Tondokument im Kubus zu hinterlassen. Während der Verlaufsdauer des Projekts werden diese Kommentare redaktionell gesichtet und gegebenenfalls stetig in die Komposition eingearbeitet.

Als weitere Option könnten die gesprochenen Antworttexte in übersetzter Form angeboten werden, entweder verschriftlicht oder als Audiokommentar, z.B. abrufbar auf das eigene Mobiltelefon der Besucher_innen. Die Grenze der Sprachbarriere kann also mit unterschiedlichen Methoden überwunden werden.

Objekte und Bildmaterialien

Zusätzlich werden Objekte, Videos, Fotos und Texte aus den jeweiligen Umgebungen (Afghanistan, zentrales Hochland und Panjab, Nordindien) im Glaspalast präsentiert, wie Fahnen, Nägel, Bindfäden, geweihte Holzstücke und Räuchermaterialien aus dem zentralen Hochland von Afghanistan, sowie Bildmaterialien. Aus Amritsar werden religiöse Schaukästen vorgestellt und rituelle Kleidungsstücke, die im Goldenen Tempel getragen werden sollen.

Speisen

Beide Regionen und Religionsformen verbindet unter anderem die Zubereitung ritueller Speisen, die in der Gemeinschaft verzehrt, aber auch zur Speisung Armer ausgegeben werden. Im Zuge der Glaspalasteröffnung werden den Besucher_innen entsprechende Speisen angeboten. Das gemeinsame Einnehmen von Speisen hat in christlichen Religionen sakramentale Bedeutung. Auch auf diesem Wege kann Globales mit Örtlichen verbunden werden.

Zentrales Hochland, Provinz Bamiyan, Afghanistan

In Gebiet des heutigen Afghanistan ist seit 1000 Jahren der Islam in seiner schiitischen Version die absolut dominante Religion. Die Schia ist nach der Sunna die zweitgrößte Hauptrichtung des Islam und spaltete sich sehr früh ab. Der Grund war nicht ein reformatorischer, es war vielmehr religiöse Machtpolitik bzw. der Streit um die legitime Nachfolge Mohammeds. Vorher war mehr als 1000 Jahre der Buddhismus neben etlichen anderen Religionsformen vorherrschend. Dies ist auch heute noch augenfällig, z.B. in den Riesenbuddhas von Bamiyan, die vor 16 Jahren durch Talibaneinheiten zerstört wurden oder auch in dem riesigen buddhistischen Klosterkomplex von Mes Aynak, der wohl in der nahen Zukunft dem Kupferabbau zum Opfer fallen wird. Persische sowie römisch-griechische und zoroastrische Formen konnten damals parallel zum Buddhismus existieren. Das zeigt sich auch in Münzfunden aus der kushanischen Zeit (etwa um 200 n. Chr.) mit Abbildungen von Buddha, Helios oder Ardoksho, einer altpersischen Muttergottheit. Bemerkenswert ist, dass sich auch heute in manchen religiösen Bräuchen Elemente des Buddhismus und der vorbuddhistischen Bönreligion erhalten haben. Meine mehrjährige Tätigkeit im zentralen Hochland von Afghanistan ermöglichte mir die Befragung der Menschen dort.

Amritsar, Panjab, Nordindien

Der Sikhismus entstand vor etwa 500 Jahren in Nordindien nach Reisen des Religionsgründers Guru Nanak nach Mekka, Irak, Afghanistan und Europa. Diese Bewegung, die man mit ihrer Kritik an vorherrschenden religiösen Dogmen durchaus als reformatorisch einschätzen kann, hatte das Ziel, mehr Brüderlichkeit unter den Menschen zu erreichen und Egoismus zu vermeiden. Guru Nanak war ein strikter Gegner des Kastenwesens und predigte mit seinen Jüngern vor hinduistischen Tempeln und auch vor Moscheen. Ein bekanntes Zitat Nanaks lautet: „Es gibt keine Hindus, es gibt keine Muslime, es gibt nur Geschöpfe Gottes.“ Er war auch ein Kritiker gewisser religiöser Rituale, die sinnentleert einer echten Religiosität im Wege stünden. Eine Reise nach Amritsar zum Goldenen Tempel der Sikhs und Treffen mit Persönlichkeiten der Sikhs am Khalsa College ermöglichte die Befragung einiger Sikhs und das Erfahren dieser Religionsgemeinschaft.

BERT PRAXENTHALER

Bert Praxenthaler ist 1956 in München geboren. Die Ausbildung zum Holzbildhauer und sein Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte (M.A.) absolvierte er in München. Seit 1986 ist er freiberuflich als Bildhauer tätig und profilierte sich als Spezialist für Skulptur in der Denkmalpflege. In seiner Werkstatt entstehen Skulpturen – meist aus Holz und oft farbig gefaßt, Bronzeplastiken, seit 1998 auch Installationen und Videoarbeiten. Grafik und Fotografie begleiten die bildhauerischen Arbeiten seit 1980. Seit 1998 ist er mit Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland vertreten. Von 2004 bis jetzt leitet er Konservierungsarbeiten an den von den Taliban zerstörten Riesen-Buddhas von Bamiyan (Afghanistan) und weitere Restaurierungsprojekte für den Internationalen Denkmalrat ICOMOS und die UNESCO. 2012 leitete er für die dOCUMENTA(13) ein Skulpturenseminar in Bamiyan und führte einen Beitrag für eine documenta-Installation mit Mike Rakowitz im Fridericianum in Kassel aus.

www.bert.praxenthaler.de

Michaela Rotsch

Bildende Künstlerin, transdisziplinäre und -kulturelle Forschung mit arabesken Organisationsstrukturen und syntopischen Werkstrukturen.

michaelarotsch.com

* Der Prototyp der Glaskuben stammt aus der künstlerischen Werkstruktur SYNTOPIAN VAGABOND, die hier mit dem transkulturellen Projektansatz von GLASPALÄSTE durch die gemeinsame Rahmenstruktur der Glaskuben verbunden wird. Dadurch wird die Grenze zwischen Bildender Kunst und anderen kulturellen Bereichen ausgelotet.

syntopianvagabond.net

Michaela Rotsch

Fine artist, transdisciplinary and transcultural research with arabesque organisational structures and syntopic work structures.

michaelarotsch.com

* The prototype of the glass cubes comes from the artistic work structure SYNTOPIAN VAGABOND, which is linked here to the transcultural approach of GLASPALÄSTE through the common structure of the glass cubes. Thus the boundary between contemporary art and other cultural areas is explored.

syntopianvagabond.net

Irmtraud Voglmayr

Soziologin und Medienwissenschaftlerin, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Stadt- und Raumforschung, Medien, Gender und Klasse.

Irmtraud Voglmayr

Sociologist and media theorist, focussing on research and teaching: city and urban planning, media, gender and class.

Juliane Zellner

Juliane Zellner studierte Theaterwissenschaft (M.A.) in München, Urban Studies (MSc.) in London und promoviert derzeit an der Hafencity Universität im Fachbereich Kultur der Metropolen.

Juliane Zellner

Juliane Zellner holds a degree in Theatre Studies (M.A.) from LMU Munich and a degree in Urban Studies (MSc) from UCL London.

Currently she is a PhD Candidate in the Department of Metropolitan Culture at the HCU Hamburg.